Holperpisten sollen bleiben
Der ADFC Flensburg kritisiert die fahrradunfreundlichen Pläne zur Verkehrsberuhigung der Norderstraße.
Schallende Ohrfeige für nachhaltige Mobilität in der Klimastadt Flensburg
Mit großer Sorge betrachtet der ADFC Flensburg die derzeitigen Pläne zur Verkehrsberuhigung der Norderstraße – einem Projekt, welches auf Jahrzehnte hinaus Bestand haben wird und stellvertretend für viele weitere steht. Denn Entscheider:innen in Verwaltung und Kommunalpolitik sind offenbar gerade dabei, verbindliche Vorgaben des „Masterplans Mobilität“ in Hinblick auf die Radverkehrsförderung über den Haufen zu werfen.
Zum Schutz des Weltklimas – der Grundlage allen Lebens - bleiben uns nach Ansicht der Wissenschaft noch rund zehn Jahre. Die negativen Auswirkungen des Klimawandels sind auch in Schleswig-Holstein längst überall spürbar. Doch der Ausbau klimaschonender Mobilitätsformen kommt in Flensburg allenfalls schleppend voran. Unverändert verursacht motorisierter Verkehr fast ein Viertel aller gesundheitsschädlichen Emissionen. Die Folge: Lärm, schlechte Luft, Unfälle, hoher Flächenverbrauch, Minderung der Aufenthaltsqualität, tägliche Staus, klimaschädliche Abgase.
Mehr Radverkehr böte einen sofortige Lösung für dieses wachsende Problem. Konsequente Radverkehrsförderung ist somit elementarer Bestandteil eines Mobilitätskonzepts, welches auf sofortige Dekarbonisierung des Verkehrs abzielt. Studien belegen zudem, dass Radverkehr Innenstadtlagen und lokale Einnahmen des Einzelhandels dauerhaft stärkt.2 In der Norderstraße sind rund drei Dutzend Gewerbetreibende ansässig.
Zwingende Voraussetzung für die angestrebte Steigerung des Radverkehrsanteils ist jedoch eine Angebotsplanung, die Menschen einlädt, vermehrt aufs Rad umzusteigen. Kopfsteinpflaster sind keine solche Einladung! Die Beibehaltung des in der Norderstraße vorhandenen Pflasters steht den Anforderungen an eine komfortable und sichere Führung des Radverkehrs entgegen. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Endbericht des von der Stadt beauftragten Gutachters.
Bereits heute fahren trotz des schlechten Belags täglich 230 Radfahrende (potenzielle Kunden) durch die Norderstraße. Prämisse der Planungen war von Beginn an, dass in Zukunft alle Nutzungsansprüche adäquat berücksichtigt werden sollten.
Der „Masterplan Mobilität“ schreibt ferner vor, dass in Straßenzügen aus Natursteinpflaster „Maßnahmen ergriffen werden“ sollen, „die unter Bewahrung des Stadtbildes die Befahrbarkeit erleichtern“. Die Norderstraße sollte demnach „prioritär auf die Möglichkeit einer radverkehrsfreundlicheren Gestaltung geprüft werden“. Der „Masterplan“ selbst sowie die „Leitlinien zur Gestaltung von Natursteinstraßen“ unterbreiten hierzu bereits eine ganze Reihe an konkreten Lösungsvorschlägen.3
Doch obwohl nach Feststellungen eines jetzt vorliegenden Gutachtens die Fahrbahn der Norderstraße ausreichend breit für Zweirichtungsradverkehr sei, kommt man zu dem Fehlschluss, dass Radfahrende (Quell-/Ziel- und Durchgangsverkehr) auf die Schiffbrücke zu verweisen seien, „weil der Einbau eines radverkehrsfreundlichen Pflasters in der Norderstraße unverhältnismäßige Kosten erzeugen würde.“ Was ist verhältnismäßiger als der Schutz der Gesundheit der Flensburger Bürger:innen und des Weltklimas?
Fördermittel für den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur sind auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene ausreichend vorhanden, werden jedoch häufig genug nicht abgerufen. Allein die Bundesregierung hat zuletzt die Mittel für den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur erheblich erhöht: bis 2023 sollen zusätzliche 900 Millionen Euro fließen. Der ADFC hatte die Verantwortlichen Ende vergangenen Jahres öffentlich aufgefordert, solche Fördermittel für eigene Projekte auch wirklich abzufordern.
Das Kostenargument ist ein Totschlagsargument mit dem man künftig auch die radverkehrsfreundliche Anpassung aller übrigen 115 Natursteinstraßen und alle weiteren Maßnahmen zur Radverkehrsförderung beerdigen könnte. Dies jedoch ist nicht hinnehmbar! Immer wieder ist zu beobachten, dass Radfahrende wegen der schlechten Befahrbarkeit von Natursteinstraßen widerrechtlich auf Gehwege ausweichen. Kopfsteinpflaster sind in ihrer heutigen Form auch ein Problem für blinde und mobilitätseingeschränkte Menschen. Die Norderstraße hat eine hohe Bedeutung für die Erschließung der Innenstadt. Auch Natursteinstraßen müssen daher in Zukunft vielerorts fahrradfreundlicher gestaltet werden, um die mit dem „Masterplan“ angestrebte Erhöhung des Anteils klimaschonenden Radverkehrs auch wirklich zu erreichen.
Der ADFC Flensburg als Interessenvertretung der Radfahrenden betrachtet die geplante Nichtanpassung der Belagsqualität in der Norderstraße als weitere, schallende Ohrfeige für diese umweltgerechte Form stadtverträglicher Mobilität. Der Fahrradclub wendet sich daher entschieden gegen die fahrradunfreundliche Verletzung der Vorgaben des „Masterplans Mobilität“ und fordert von der Ratsversammlung entschlossen dessen Einhaltung.