Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Ortsgruppe Flensburg

OB Geyer regiert durch

Mit dem Versprechen das „Rathaus zum Tathaus“ zu machen und dem Amt „die Würde zurückzugeben“ trat OB Geyer vor gut zwei Jahren im Wahlkampf an und die Bilanz sieht inzwischen gemischt aus.

Das „Tathaus“ klappt ganz gut, die „Würde“ fällt allerdings in Verkehrsdingen zunehmend unter den Tisch, denn OB Geyer scheint nach Gutsherrenart über die Köpfe seiner Fachabteilungen hinweg durch zu regieren. Es ist immer häufiger zu beobachten, dass die Verwaltung ohne Beteiligung der Politik und von der medialen Berichterstattung getrieben Entscheidungen fällt, die dem bisherigen Handeln der Fachabteilungen und auch den Empfehlungen externer Gutachten diametral gegenüberstehen. Das Zeitalter des postfaktischen macht offenbar auch vor Flensburg nicht halt.

Tweedter Strandweg

Erste Anzeichen für Herrn Geyers autoritäres Handeln wurden Ende 2023 deutlich. Auf Wunsch der Anwohner (!) hatte die Verkehrsplanung einen temporären Verkehrsversuch am Tweedter Strandweg gestartet, bei dem der Autoverkehr durch eine Ampel geregelt wurde. Als der mediale Aufruhr losging, reagierte OB Geyer und wies die Verwaltung an, das Experiment abzubrechen. Erst hinterher schien er zu realisieren, warum das Experiment durchgeführt wurde und ließ es wieder aufnehmen.

Mürwiker Straße Ziegeleistraße/Osterallee

Die letzte Anweisung scheint OB Geyer kürzlich in der Causa Mürwiker Straße gegeben zu haben, als die Stadt die Politik darüber informierte, sich für Variante 2 entschieden zu haben. Entgegen der alten Variante 1 mit getrennten Spuren ist dies wirklich die schlechteste Option für alle Verkehrsteilnehmer: Autos werden ausgebremst, Radfahrer müssen auf der Straße die Gefahren von Mischverkehr überstehen und Fußgänger werden Konflikte mit Radfahren auf dem Gehweg erleben. Sowohl die Fachleute der Verkehrsplanung als auch externe Experten (Planungsbüro VTT) hatten bis dahin Variante 1 als die beste Lösung bestärkt. Der Wandel konnte bis heute nicht plausibel erklärt werden und ließ auch eine sprachlose Politik zurück.

Umbau Mürwiker Straße Lautruspbach/Osterallee

Auch zukünftig setzt sich der kuriose Wandel in der Verkehrsplanung fort: Am kommenden Dienstag wird die Stadt im SUPA 15/2025 versuchen, sich mit einer weiteren Minimallösung davon zu stehlen: Für den sogenannten „Umbau“ der Mürwiker Straße zwischen Lautrupsbach und Osterallee entschied sich die Politik in der Vorplanung 2020 für eine Variante mit Fahrradschutzstreifen, doch der Vorschlag, den die Verwaltung diesmal vorlegt gleicht einer Bankrott-Erklärung: Es soll alles beim Alten bleiben, Schutzstreifen werden nicht geplant, es sollen lediglich sogenannte „Piktogrammketten“ auf die Straße gepinselt werden. Das sind die bekannten Fahrradsymbole, die man auch an anderen Stellen im Stadtgebiet finde.

Die „Argumentation“ der Stadt ist dabei inhaltlich falsch und einfach absurd: „Bei der Variante Piktogrammkette wird von einer höheren Sicherheit für die Radfahrenden ausgegangen.“ Es reicht ein Blick in die Forschung der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen um eine exakt gegenteilige Aussage zu finden: „Zweistreifige und auch vierstreifige Querschnitte mit Schutzstreifen weisen jedoch eine geringere Unfallschwere auf als vergleichbare Strecken mit reinem Mischverkehr.“ (BASt, Führung des Radverkehrs im Mischverkehr auf innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen, 2015).

Hinzu kommt, dass der Vorschlag der Stadt sogar dem Erlass des Landesverkehrsministeriums widerspricht, in dem ausdrücklich steht, dass „der Einsatz von Piktogrammketten keinen Ersatz für den Bau von Radverkehrsanlagen darstellt und daher keinesfalls Auswirkungen auf etwaige Planungen zum Bau von separaten Radverkehrsanlagen haben darf.“

Die neuste VwV-StVO stellt klar, dass Schutzstreifen als angemessene Flächen für den Radverkehr gelten, Piktogrammketten werden dagegen nicht genannt (Quelle: RAD.SH). Wieder hat die Stadt damit eine 180° Kehre hingelegt und handelt damit sogar gegen Landes- und Bundesempfehlungen. Eine Förderung des Umbaus durch das Land erscheint damit kaum erreichbar und auch die im Beschluss dargestellt Klimawirksamkeit durch eine „Attraktivierung des Umweltverbundes“ ist schlichtweg eine Farce.

Sperrung Hafenspitze

Dieses postfaktische Handeln von OB Geyers Verwaltung zeigt sich am Dienstag auch in einer Mitteilung: In jedem Sommerloch kocht medial das Thema Hafenspitze hoch und das Hochjazzen von Konflikten zwischen Radfahrern und Fußgängern sorgt zuverlässig für Klicks, Leserzahlen und die übliche Empörung. Auch wenn die Verkehrsplanung durch eigene Beobachtungen an mehreren Tagen feststellte, dass es keine schweren und nur wenige leichte Konflikte gibt, wird die Verwaltung die Hafenspitze zukünftig für Radfahrer sperren. Tagsüber, wie am Holm.

Natürlich gibt es immer wieder Konflikte durch rücksichtslose Einzelne, doch es ist absehbar, dass sich diese Leute nicht von Maßnahmen wie diesen abhalten lassen. Auch auf dem Holm lässt sich dies beobachten. Die Maßnahme wird somit wieder diejenigen treffen, die sich sowieso regelkonform verhalten. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sie hierdurch auf untermaßige, nicht-regelkonforme Pseudo-Radwege ausweichen müssen, die die Stadt trotz Kenntnis der Sachlage bis heute nicht ertüchtigt hat. Interessant ist hierzu auch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg (Quelle), wonach Radfahrende nicht als „qualifizierte Fußgänger“ anzusehen sind, denen nach Belieben ein Absteigen und Schieben vorgeschrieben werden kann.

Fazit

Es ist offensichtlich, dass die Verwaltung seit OB Geyers Amtsantritt ihre bisherige Richtung um 180° wendet. Sein dokumentiertes Handeln in Form von Anweisungen beim Tweedter Strandweg und auch beim Rückbau der Mürwiker Straße legt den Schluss nahe, dass er auch in den anderen Fällen gegen die Meinungen seiner Fachabteilungen „von oben durch regiert“. Inzwischen ist auch die Verkehrsplanung durch Kündigungen wichtiger Mitarbeiter kaum noch handlungsfähig und die Stadtplanung ist nach dem Weggang von Frau Takla Zehrfeld führungslos. Beste Bedingungen, um weiterhin das „amerikanische Modell“ direkter Anweisungen durchzuziehen. Für die Verkehrsplanung bedeutet dies: Flensburg steht still.


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